Deutsche Unternehmen sind weniger innovativ

Innovationen sind die Basis der deutschen Wirtschaft. Nur mit Hilfe von immer neuen Entwicklungen können sich Unternehmen gegen die Konkurrenz aus anderen Industrieländern und aus China behaupten und so ihre Chancen, auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein, erhöhen. Ausgerechnet in diesem Bereich geht es nicht mehr so stark voran. Das zeigt eine neue Studie der IW Consult im Auftrag der Bertelsmann Stiftung.

“Der Anteil innovativer Unternehmen sinkt rapide”, heißt es dort. Nur noch jedes fünfte Unternehmen in Deutschland könne als besonders innovativ bezeichnet werden. 2019 war es noch jedes vierte. Immer mehr Firmen suchen nicht mehr aktiv nach Neuerungen. Statt knapp einem Drittel haben in den vergangenen drei Jahren 38 Prozent solche Bemühungen eingestellt.

Und das, obwohl es sich für die Firmen lohnt. Unternehmen mit mehr innovativem Output erzielen im Mittel mit jedem Euro Umsatz mehr Gewinn, sprich sie haben eine höhere Nettoumsatzrendite. Allerdings war diese Nettoumsatzrendite 2019 höher als heute. Das heißt: Innovationen sind inzwischen nicht mehr ganz so profitabel wie vor ein paar Jahren.

Laut Armando García Schmidt, dem Wirtschaftsexperten der Bertelsmann Stiftung, ziehen sich viele kleine und mittlere Unternehmen aus der Innovationstätigkeit zurück, weil Innovationszyklen immer kürzer werden würden. Es brauche außerdem immer mehr Kapital, um eine Neuerung zu entwickeln und am Markt zu etablieren. Oft fehlten auch die notwendigen Fachleute, so García Schmidt.

Deutschland Digitalisierung (Symbolbild)

Innovationen sind nötig, um Digitalisierung, der De-Globalisierung, demografischer Wandel und Dekarbonisierung zu meistern

Gefahr für Wohlstand

Der Rückgang der Innovationen werde schwerwiegende Folgen für die Stellung deutscher Unternehmen auf den Weltmärkten haben, sagt García Schmidt. “Unsere Studie zeigt klar, dass Unternehmen wettbewerbsfähiger und widerstandsfähiger gegen Krisen sind, je stärker ihr Innovationsprofil ist. Innovationsstarke Firmen leisten auch einen dynamischeren Beitrag zur Beschäftigungsentwicklung. Unser Wohlstand ist massiv gefährdet, wenn immer weniger Unternehmen sich als technologische Vorreiter sehen oder sich nicht mehr an tiefgreifende Neuerungen wagen.”

Die Studie zeigt auch, dass Technologie als wesentliche Quelle von Innovation nicht mehr so einen großen Stellenwert hat wie früher. Das liegt auch daran, dass Patente weiter an Bedeutung verlieren. Immer weniger Unternehmen sehen sich als technologische Vorreiter. Mit der Folge, dass sie Forschung und Entwicklung im Inland und Ausland sowie die Kooperation mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zwischen 2019 und 2022 nicht nennenswert ausgebaut haben. Dabei würde insbesondere die Kooperationen zwischen Unternehmen, Startups sowie Forschung und Wissenschaft dabei helfen, die weiter steigende Komplexität zu beherrschen, heißt es in der Studie.

Weniger Innovationen schaden Klima und Umwelt

Schlecht ist die fehlende Innovationskraft nicht nur für den Wohlstand. Sie wirkt auch auf Klima und Umwelt, denn auch für die Transformation der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit braucht es Innovationen.

Symbolbild E-Fahrzeuge an einer Ladesäule

Für die Verkehrswende und vor allem effizientere Batterietechnik braucht es Innovationen

Im Durchschnitt nutzen knapp 60 Prozent der Unternehmen dafür Prozessinnovationen. 53 Prozent wollen über Produktinnovationen nachhaltiger werden. 36 Prozent der Unternehmen setzten auf Geschäftsmodellinnovationen. Das sind nicht unbedingt Neuerungen, die auf Technologien basieren, sie können auch neue Kundengruppen, neue Vermarktungskanäle und neue Formen der sozialen Interaktion beinhalten.

Mehr Nachhaltigkeit bedeutet aber gleichzeitig neue Geschäftschancen. “Aktuell brauchen wir viele technologische Lösungen auf dem Gebiet der Klimaneutralität – Beispiel Wärmepumpen”, so García Schmidt. Die Politik dränge zudem auf den nächsten Schritt hin zu einer ressourcenschonenden zirkulären Wirtschaft. “Deutsche Unternehmen haben jetzt noch die Chance, hier weltweit an der Spitze zu sein und technologische Standards für zirkuläre Lösungen zu setzen. Dazu müssen sie aber jetzt ihr Innovationsprofil stärken.”

Nähe zu Kunden behindert disruptive Innovationen

Als Innovationsbremse scheint die Nähe zu den Kunden zu wirken. Ein Großteil der Unternehmen ist lange im Geschäft, fest verankert in der jeweiligen Branche und hat langjährig etablierte Beziehungen zu Kunden und Lieferanten. Das fördere sogenannte inkrementelle Innovationen, so die Studie. Das bedeutet, Technologien, Prozesse, Produkte oder Geschäftsmodelle werden zwar weiterentwickelt, bleiben aber im Kern erhalten. Allerdings würde die Fokussierung auf die Bedürfnisse der Kunden disruptive Innovationen behindern. Denn bei radikalen Neuerungen muss die Bereitschaft da sein, sich von Bestehendem zu lösen.