Deutsche Wirtschaft blickt pessimistisch aufs neue Jahr

Vor allem die Vertreter der Industrieverbändeschauen sorgenvoll auf das kommende Jahr. In den Branchen, deren Produktion sehr viel teure Energie benötigt, sind die Aussichten besonders trübe – beispielsweise bei den Betonherstellern. Einen deutlichen Rückgang der Produktion befürchten auch die energieintensiven Chemie- und Stahlindustrien.

Handwerksunternehmen, die Bauwirtschaft, ein großer Teil des Finanzsektors und die Immobilienbranche rechnen mit Einbußen. Es wird weniger gebaut, die Zinsen steigen, Materialien verteuern sich.

“Eine etwas niedrigere Produktion sehen innerhalb der Industrie etwa die Bereiche Maschinenbau und Elektroindustrie”, heißt es in der IW-Analyse. Die nur moderat erwarteten Bremseffekte erklärten sich hier aus hohen Auftragsbeständen und den langfristig wirkenden Investitionsmotiven hinsichtlich Digitalisierung und Dekarbonisierung.

Autoindustrie und Tourismusbranche hoffen auf Nachholeffekt

Positive Erwartungen dagegen in der Messe- und Werbewirtschaft: Die Einschränkungen der Corona-Pandemie sind weitestgehend vorbei. Wie auch in der Tourismusbranche hoffen die Unternehmen auf einen Nachholeffekt. Dies gilt auch für die Autoindustrie, die im Gefolge der Pandemie und der globalen Zulieferprobleme in den vergangenen drei Jahren deutlich unter ihren Produktionskapazitäten blieb.

Deutschland | Autoproduktion bei Ford in Köln

Autoproduktion bei Ford in Köln

Doch ein wichtiger Risikofaktor trübt die Stimmung nicht nur bei den Optimisten: “Die Folgen des Kriegs in der Ukraine sind nach wie vor eine enorme Belastungsprobe für die deutsche Wirtschaft”, sagt IW-Konjunkturexperte Michael Grömling. “Die Unternehmen gehen nicht davon aus, dass die hohen Energiepreise in absehbarer Zeit wieder sinken werden. Das dämpft den Blick auf das kommende Jahr enorm.”

Ukraine-Krieg ein kaum kalkulierbares Risiko

Ende 2021 gingen viele Verbände noch davon aus, dass die turbulenteste Zeit überwunden sei. Die Folgen der Pandemie waren weniger spürbar, man hoffte, dass fehlende Chips und Halbleiter nur ein vorübergehendes Problem seien.

Der russische Krieg gegen die Ukraine hat die Lage verändert: Energiepreise erreichen Rekordhöhen, die Inflation ist so hoch wie schon lange nicht mehr – entsprechend schlecht ist laut der aktuellen IW-Verbandsumfrage die Stimmung in der deutschen Wirtschaft.

Produktion schrumpft, aber kein Investitionseinbruch

Von den insgesamt 49 Verbänden, die von Mitte November bis Anfang Dezember befragt wurden, beurteilen 39 die aktuelle Lage schlechter als noch vor einem Jahr. 30 schauen darüber hinaus auch pessimistisch auf 2023 und gehen davon aus, künftig weniger zu produzieren. Nur 13 planen, mehr zu produzieren.

Die Ergebnisse der Verbandsumfrage signalisieren keinen Investitionseinbruch in Deutschland. Gleichwohl rechnen nur acht Verbände mit höheren Investitionen im Jahr 2023. Immerhin 22 Verbände – vorwiegend im Dienstleistungssektor, auf den in Deutschland laut IW-Angaben rund 70 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistung entfallen – gehen von gleichbleibenden Investitionen aus. 17 Verbände prognostizieren niedrigere Investitionen.

Coronavirus - Bayern

Die Beschäftigungslage soll auch 2023 einem hohen Niveau entsprechen

Stabiler Arbeitsmarkt

Im Hinblick auf den Arbeitsmarkt schlagen sich die deutlich eingetrübten Produktionserwartungen nicht entsprechend negativ in den Beschäftigungsplänen nieder.

Nur 16 Verbände gehen von weniger Mitarbeitern in ihren Wirtschaftsbereichen aus. In 23 Verbänden wird mit einer stabilen Beschäftigungslage gerechnet und in neun Branchen – etwa Luft- und Raumfahrt, Gastgewerbe und Tourismus – wird Beschäftigung aufgebaut.

Die erkennbare Stabilität am deutschen Arbeitsmarkt erscheint nach den Ausführungen des IW als ein wichtiger konjunktureller Anker. Damit bleiben die Einkommenserwartungen der privaten Haushalte von Zuversicht geprägt. Das wirkt trotz der hohen Inflation stabilisierend für den privaten Konsum.