Vier-Tage-Woche: Was bringt sie für die Zukunft der Arbeit?

Zunächst mal: Vier-Tage-Woche ist nicht gleich Vier-Tage-Woche. Man unterscheidet zwischen zwei Modellen. Im ersten werden die 40 Stunden einer Arbeitswoche auf vier statt fünf Tage verteilt, sodass vier 10-Stunden-Tage entstehen. Dieses Modell ist etwa in Belgien eingeführt worden. Hier können sich Beschäftigte entscheiden, ob sie ihre Arbeit in vier Tagen in der Woche erledigen wollen. Weniger Arbeitszeit pro Woche haben sie dadurch aber nicht. 

Das zweite Modell sieht etwas anders aus und verfolgt das Prinzip 100-80-100, also: hundert Prozent der Arbeit in 80 Prozent der Zeit für 100 Prozent des Lohnes. Eine Reihe von europäischen Ländern hat in den vergangenen Jahren bereits Testphasen zur Vier-Tage-Woche durchgeführt. Island zum Beispiel probierte zwischen 2015 und 2019, wie effektiv eine verkürzte Arbeitswoche bei gleichbleibendem Lohn sein würde. Auch Spanien startet in diesem Frühjahr eine Testphase mit kleinen und mittelständischen Unternehmen. 30 Prozent der Beschäftigten dieser Unternehmen sollen mindestens zehn Prozent weniger Stunden bei vollem Lohnausgleich arbeiten. Und Frankreich will nun eine verkürzte Arbeitswoche von 35 Stunden verteilt auf vier Tage in der Verwaltung testen. Auch weltweit wird dieses Modell schon längst geprobt: zum Beispiel in Neuseeland, Japan oder den USA. Doch welche Vor- und Nachteile hat eine Vier-Tage-Woche? 

Vorteile einer Vier-Tage-Woche:

Weniger Stress bei gleicher Produktivität 
Die Erkenntnisse der bisherigen Pilotprojekte zeigen durchaus positive Effekte. So zum Beispiel die Ergebnisse einer 2023 veröffentlichten britischen Studie: Die Beschäftigten waren weniger gestresst und wiesen ein geringeres Risiko für psychische Erkrankungen wie Burn-Out auf. Auch Angstzustände, Müdigkeit und Schlafprobleme nahmen im Zeitraum der Studie ab. 61 Unternehmen mit rund 2900 Mitarbeitenden hatten an dem Versuch teilgenommen. Der Großteil der  Unternehmen gab an, sie wollten die Vier-Tage-Woche dauerhaft fortsetzen. Besonders das gesteigerte Wohlbefinden der Arbeitnehmenden sei ein Grund für diese Entscheidung.

Mehrere Menschen sitzen vor ihren Laptops in einem Coworking Space in einem Café in Berlin

Bei einem Pilotprojekt für die Vier-Tage-Woche in Großbritannien sank das Risiko für psychische Erkrankungen

Beschäftigte seltener krank 
Zugleich meldeten sich Beschäftigte seltener krank. Ausreichende Zeit zur Erholung und weniger Belastung seien Gründe dafür, dass Arbeitnehmende seltener krank würden, so Arbeitspsychologin Hannah Schade vomLeibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund. Das sei laut Schade auch wichtig für die Frage, wie die Vier-Tage-Woche finanziert werden könne. Denn dafür müsse man auch bedenken, wie hoch die Kosten bei einem weiterhin  hohen Krankenstand und vielen psychische Erkrankungen in den Unternehmen wären. 

Mehr Gleichberechtigung und weniger Fachkräftemangel 
Die Vier-Tage-Woche könnte aber auch eine wichtige Rolle für mehr Gleichberechtigung spielen. Arbeitspsychologin Schade weist im Gespräch mit der DW auf ein weiteres Ergebnis der britischen Studie hin. Es zeigte sich, dass sich Männer in der Vier-Tage-Woche stärker in die Sorgearbeit einbringen, etwa bei der Betreuung der eigenen Kinder oder pflegebedürftiger Angehöriger. 

Bernd Fitzenberger, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sieht aber auch einen entscheidenden Vorteil, um mit der Vier-Tage-Woche gegen den Fachkräftemangel vorzugehen. “Das macht Arbeitsplätze attraktiver, das erhöht die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber für Bereiche, in denen Unternehmen händeringend Arbeitskräfte suchen.” Familien könnten Beruf und Kinderbetreuung leichter vereinbaren und Frauen, die in deutschen Paarhaushalten oft noch immer bei der Karriere zurücksteckten, leichter wieder in die Vollzeit zurückkehren. 

Ist weniger Arbeit gut fürs Klima? 
Ob die Verkürzung der Arbeitszeit konkrete Auswirkungen auf das Klima hat, lässt sich schwer messen. Die Denkfabrik “Konzeptwerk Neue Ökonomie” schreibt auf ihrer Seite zum Beispiel, dass sich mit einer Vier-Tage-Woche “auch der Energie- und Ressourcenverbrauch der (weiter) bestehenden Branchen und Arbeitswege gesenkt werden” könne. Wie sich der Fußabdruck bei einzelnen Beschäftigten senkt, hänge jedoch vom individuellen Lebensstil ab. 

Unternehmen attraktiver für Bewerber 
Obwohl es vornehmlich Angestellte sind, die sich eine Vier-Tage-Woche wünschen, können auch Unternehmen profitieren. “Jedes Unternehmen hat einen Wettbewerbsvorteil, wenn es die Vier-Tage-Woche anbietet”, sagt Schade. Nicht das Modell mit der gleichen Stundenzahl mache allerdings die Firmen attraktiv, sondern eine tatsächliche Reduktion der Stunden. “Dafür sind Leute dann auch bereit, andere Sachen in Kauf zu nehmen”, so Schade. 

Vier-Tage-Woche – Ein Modell für die Zukunft?

Nachteile einer Vier-Tage-Woche:

Vielleich auch mehr Stress? 
Ein Nachteil des Modells könnte in der Arbeitszeitverdichtung liegen, so der Ökonom Bernd Fitzenberger. In weniger Zeit muss mehr erledigt werden – das könnte auch zu mehr Stress führen. Beim Vier-Tage-Modell etwa in Belgien arbeiten Beschäftigte dagegen weiterhin 40 Stunden in der Woche, nur auf vier Tage verteilt. Alternativ können sie auch ihre Stundenzahl verringern – in diesem Fall würden sie allerdings auch weniger Gehalt bekommen. 

Produktivität nicht eindeutig messbar 
Aus den Reihen der Wirtschaft kommt auch Skepsis der Vier-Tage-Woche gegenüber. Aus der Sicht von Holger Schäfer, Wirtschaftswissenschaftler am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW), ist nicht eindeutig, wie die Produktivität überhaupt zu messen wäre. “Wie sich die Produktivität entwickelt hat in den Unternehmen, können wir gar nicht zweifelsfrei feststellen”, lautet eine Bilanz des IW. 

Auch könne das neue Modell für Unternehmen zu Kostensteigerungen führen, so Fitzenberger. Und “zwar dort, wo die reduzierte Arbeitszeit oder die Konzentration der Arbeitszeit auf vier Tage nicht durch Produktivitätsgewinne aufgefangen werden” könne. 

Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit 
In Deutschland sorgt sich vor allem die FDP um die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie: “In Hinblick auf den eklatanten Fachkräftemangel ist der Vorschlag einer Vier-Tage-Woche unverständlich”, sagte etwa der FDP-Fraktionschef Christian Dürr gegenüber Zeitungen der Funke Mediengruppe. Verkürzte Arbeitszeiten würden Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit nicht stärken, sondern schaden. 

Laut Ökonom Fitzenberger könne dies aber aufgefangen werden, indem Unternehmen die Arbeitsabläufe durch technische Innovationen produktiver gestalten. Ein größeres Problem sieht er darin, inwiefern eine Vier-Tage-Woche in einzelnen Branchen ausgestaltet werden könnte. 

Nicht in allen Branchen gleich umsetzbar 
“Herausfordernd wird es für Bereiche, in denen im Hier und Jetzt zu festen Zeiten Leistungen für die Kunden, für Menschen, die betreut werden, zu erbringen sind”, erklärt Fitzenberger. In der Pflege, in Sicherheitsdiensten oder Verkehrsunternehmen sei eine Vier-Tage-Woche schwieriger umzusetzen als in anderen Bereichen. “Wenn wir eine starre Regelung, die alle Branchen betrifft, in gleicher Weise umsetzen würden, könnte das die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen.” 

Eine Pflegerin kümmert sich um einen Patienten

Die Umsetzung einer Vier-Tage-Woche kann in manchen Bereichen, wie zum Beispiel in der Pflege herausfordernd sein

Neue Perspektive auf Arbeit 

Aus Sicht der Arbeitspsychologin Schade muss das Thema langfristiger betrachtet werden. Zum einen, weil weniger Krankmeldungen sich langfristig positiv auf die Wirtschaft auswirken. Und Menschen wie Unternehmen müssten sich erst auf eine neue Arbeitsweise einstellen. “Veränderung heißt immer auch Risiko”, sagt sie. Das löse Ängste aus. Doch Zahlen zeigen schon jetzt: Mehr als drei Viertel der Befragten einer deutschen Studie würden die Vier-Tage-Woche in ihren Unternehmen begrüßen. Und besonders Beschäftigte unter 40 Jahren interessieren sich für dieses Modell.