Wer ist der neue Chef von Bayer?

Die Reaktion der Finanzmärkte war eindeutig: Als Bayer am späten Mittwochnachmittag (8.2.) den anstehenden Wechsel meldete, schoss der Aktienkurs um sechs Prozent nach oben. Die Neubesetzung sei Ergebnis eines “umfassenden Auswahlverfahrens”, hieß es in einer Mitteilung des Konzerns, das Mitte vergangenen Jahres schon angestoßen worden sei. Klar ist aber auch, dass der Druck der Aktionäre in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen war.

Vor allem aktivistische Investoren wie Bluebell aus Hongkong oder Inclusive Capital, die zum Jahresbeginn bei Bayer eingestiegen waren, hatten ihren Unmut deutlich gemacht. Bluebell fordert eine Aufspaltung des Mischkonzerns in seine Sparten Pharma und Agrochemie. Inclusive Partners hat sich nicht festgelegt, möchte aber ebenfalls strukturelle Veränderungen erreichen.

Bayer-Logo am Hauptsitz des Konzerns in Leverkusen

Bayer-Logo am Hauptsitz des Konzerns in Leverkusen

Baumann schon länger im Kreuzfeuer der Kritik

Auch Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), hofft auf eine strategische Neuausrichtung. Es sei zu spät, damit bis zum regulären Ende von Baumanns Amtszeit Ende April 2024 zu warten, sagte er im Deutschlandfunk. Auch die Fondsgesellschaften Union Investment und Deka hatten zuletzt eine schnelle Ablösung Baumanns gefordert. Hauptkritikpunkt an dem scheidenden Bayer-Chef: Er steht für die 63 Milliarden Dollar schwere Übernahme des Agrochemiekonzerns Monsanto im Jahr 2018. Die hatte er kurz nach seinem Amtsantritt zwei Jahre zuvor angekündigt.

Entlastung verweigert: Bayer-Chef Werner Baumann auf der Hauptversammlung 2019

Entlastung verweigert: Bayer-Chef Werner Baumann auf der Hauptversammlung 2019

Das Problem: Mit dem Saatguthersteller handelte Bayer sich gleichzeitig eine Klagewelle ein wegen des Unkrautvernichtungsmittels Roundup. Das darin enthaltene Glyphosat, so die Vorwürfe, sei krebserregend. Vergleiche mit den Klägern kosteten Bayer seither mehr als zehn Milliarden Euro, ein Ende der Rechtsstreitigkeiten ist immer noch nicht absehbar. Deshalb wurde dem Bayer-Chef 2019 bei der Hauptversammlung sogar die Entlastung verwehrt – ein in der deutschen Wirtschaftsgeschichte bis dahin einmaliger Vorgang.

Das sei damals schon die “gelbe Karte” für Baumann gewesen, sagt Nieding, wenn auch ohne rechtliche Konsequenzen für ihn. Die andauernden Rechtsstreitigkeiten belasteten auch den Aktienkurs schwer – vor der Ankündigung des Chefwechsels war Bayer an der Börse noch 56 Milliarden Euro wert, also umgerechnet gut 60 Milliarden Dollar und damit weniger, als es für die Monsanto-Übernahme gezahlt hatte.

Kommt jetzt die Aufspaltung des Konzern?

Der Wechsel zu einem externen Manager sei genau das, was Investoren sich gewünscht hätten, urteilen auch die Analysten von Deutsche Bank Research. Er könnte offen dafür sein, sich die aktuelle Struktur des Konzerns anzusehen, meinen sie, es sei jedoch noch zu früh, über eine mögliche Aufspaltung unter seiner Führung zu spekulieren. Der 56 Jahre alte Anderson hatte seinen Abschied vom Schweizer Pharmakonzern Roche im Dezember mitgeteilt, wo er zuletzt Chef der globalen Pharma-Sparte war. Beobachter vermuten, dass ein wesentlicher Grund für seinen Abschied war, dass Roche ihn nicht zum Vorstandschef des Gesamtkonzerns berufen hatte.

Monsanto Roundup Unkrautvernichter

Der Unkrautvernichter Roundup, das Top-Produkt von Monsanto. Wegen des enthaltenen Glyphosats steht es unter dem Verdacht, Krebs erregend zu sein.

Der studierte Chemieingenieur Anderson tritt nun schon zum April bei Bayer an. Dort werde er eng mit Baumann zusammenarbeiten, um “einen reibungslosen Übergang sicherzustellen”, teilte der Konzern mit. Anderson könnte der Befreiungsschlag sein, auf den Investoren gewartet hätten, sagt auch Markus Manns von der genossenschaftlichen Fondsgesellschaft Union Investment. Auch Ingo Speich von der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka erhofft sich von der Berufung des Pharmamanagers Impulse für die Strategie.

Würde die eigentlich hochprofitable Agrochemie abgespalten, zu der die ehemalige Monsanto gehört, könnte sie an der Börse mit bis zu 70 Milliarden Euro bewertet werden, rechnen Investoren vor. Das Problem: Auch sie wäre schwer belastet durch die noch ungeklärten Glyphosat-Rechtsstreitigkeiten. Auch die Pharmasparte könnte allein mehr wert sein als der Konzern in seinem aktuellen Zustand,  vermuten Experten. Die Patente für wichtige Umsatztreiber laufen in nächster Zeit aus, wie schnell neue Präparate da einen Ausgleich schaffen können, ist noch ungewiss. Auch die Sparte der rezeptfreien Arzneimittel könnte abgespalten werden, sie könnte allein zwischen 15 und 20 Milliarden Euro wert sein, hoffen die aktivistischen Investoren.