“Petrus ist ein Freund der Chemie”, so sagt es Wolfgang Große-Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemieindustrie (VCI). Der massive und von so manchem vorhergesagte Wirtschaftseinbruch sei ausgeblieben. Vor dem hatte auch die Chemieindustrie, vor allem BASF-Chef Martin Brudermüller gewarnt. Man sei aber “auf der letzten Rille durch den Winter gekommen”, beschreibt Große-Entrup die Herausforderungen für die Branche. Im Ergebnis ging die Produktion im vergangenen Jahr deutlich um 6,6 Prozent zurück. Denn die Chemieunternehmen leiden in zweifacher Hinsicht unter den hohen Energiepreisen, denn sie benötigen Öl und Gas sowohl zur Energieerzeugung als auch zur Produktion. Mit dem Frühjahr steigt allerdings auch die Zuversicht.
Gaslager auf dem Gelände des BASF-Stammwerks in Ludwigshafen
Die Stimmung in der Branche ist besser geworden, wie auch eine aktuelle Studie des Ifo-Instituts aus München zeigt. Doch bedeutet das nicht, dass es aufwärts geht. Vielmehr rechnet die Branche auch für dieses Jahr mit einem Rückgang der Produktion um fünf Prozent, ohne Pharma sogar um acht Prozent. Denn die Kunden halten sich wegen der schwachen Konjunktur mit Aufträgen zurück, vor allem in der Basis-Chemie ist die Lage kritisch.
Noch keine Trendwende absehbar
Im Januar, das zeigen Daten des Statistischen Bundesamts, legte die Produktion gerade in den energieintensiven Industrien zwar kräftig zu.
Doch führen die Volkswirte der Commerzbank das auch auf einen statistischen Kalendereffekt zurück. Aus diesem einzelnen Monat kann man deshalb noch keinen Trend ablesen. Die Chemiebranche beschreibt die aktuelle Entwicklung als “Stabilisierung auf niedrigem Niveau”. Die gesunkenen Energiepreise würden zwar den Unternehmen helfen. Zu loben sei auch das “recht gute” Krisenmanagement auch der Bundesregierung, etwa bei der Bereitstellung von Flüssiggas, die schneller als erwartet gelang.
Zudem hätten die Unternehmen große Erfolge bei der Steigerung ihrer Effizienz – und somit auch beim Einsparen von Energie – verzeichnet, analysiert das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln in einer Studie. Doch gerade in der energieintensiven Industrie sei die Krise auch einhergegangen mit der Drosselung oder Einstellung der Produktion um ein Fünftel. Fraglich sei, ob diese Anlagen je wieder angefahren würden. So hat etwa auch der Branchenriese BASF Chemieanlagen in seinem Stammwerk Ludwigshafen stillgelegt, vor allem für die sehr energieintensive Ammionak-Produktion.
Pilotprojekt bei BASF zur Herstellung von Wasserstoff ohne CO2-Emissionen
Die Chemie- als auch die metallerzeugende Industrie benötigten drei Viertel der industriellen Energie in Deutschland, rechnen die Autoren der IW-Studie vor. Deutschland ist von diesen Entwicklungen besonders stark betroffen. Denn hier sind die Energiepreise zwar auch gesunken, sie liegen aber immer noch höher als an anderen Standorten.
Stattdessen orientieren sich vor allem die größeren Unternehmen ins Ausland. Der Inflation Reduction Act (IRA) der Biden-Administration etwa lockt viele Unternehmen, statt in Europa oder in Deutschland künftig neue Anlagen in den USA aufzubauen. Dort sind aber nicht nur die Subventionen größer und die Energiepreise niedriger. Es sind auch andere Rahmenbedingungen wie die starke Regulierung. “Wir brauchen einen Regulation reduction act“, formuliert das der VCI-Hauptgeschäftsführer plakativ. Denn während große Unternehmen ihre Standorte durchaus ins Ausland verlagern könnten, sei das kleinen und mittelständischen Chemieunternehmen nicht möglich. Nach einem Jahr mit hohen Energiekosten litten diese nun vor allem unter den Folgen der hohen Inflation und der damit verbundenen schlechteren Auftragslage. Die Diskussion aber über einen verbilligten Industriestrompreis für energieintensive Unternehmen beginnt erst gerade in Deutschland. Bundeswirtschaftsminister Habeck sieht ein solches Instrument “erst mittelfristig”.