Meinung: G7 –Transatlantische Strandparty

Vor einigen Jahren war es Mode, die G7-Treffen rundum zu verreißen, für sinnlos und verschwenderisch zu erklären. Nach der Zwangspause durch COVID-19 verdient die transatlantische Strandparty im britischen Cornwall wohl mehr Nachsicht. Es ist wichtig, dass Spitzenpolitiker sich wieder persönlich sehen und gemeinsam auftreten. Politik ist auch Symbolik und die Kosten sind zu verkraften, wenn denn die Ergebnisse stimmen. Aber tun sie das?  

Die USA sind zurück 

Mit diesem Slogan bekräftigte Präsident Joe Biden seinen Willen zu einer erneuerten transatlantischen Zusammenarbeit. Nach dem Tal der Tränen, das der Westen mit Donald Trump durchlitten hatte, fällt jede freundliche Geste jetzt wie Regen auf ausgedörrten Boden. Angela Merkel oder Emmanuel Macron schienen glücklich, einen US-Präsidenten zu treffen, der sie anhörte und ernst nahm. Und am Ende keine Tweets und keine Beleidigungen – welch schöne Normalität.  

In einer Charta versichern sich die Teilnehmer, dass die transatlantische Bindung neu bekräftigt, die Zukunftsprobleme gemeinsam bewältigt und die regelbasierte Weltordnung wieder Geltung erhalten sollten. Das ist allerdings schwerer getan als gesagt, weil die Erosion von Recht und Gesetz in den letzten vier Jahren weit vorangeschritten ist.  

Ebenso erodiert aber ist der bedingungslose Glaube der Europäer an das politische System und die Verlässlichkeit der USA. Wer garantiert ihnen, dass nicht in vier Jahren ein neuer Trump in Washington an die Macht kommt? Bei aller Erleichterung über Joe Biden – das alte Grundvertrauen ist nicht wieder herstellbar. Der Wille zu mehr Autonomie in der EU wird bleiben. 

Kalter Krieg mit China?   

In der gemeinsamen Abschlusserklärung sind die Grundzüge für eine neue, härtere China-Politik formuliert. Unmissverständlich wird Peking da zum ersten Mal mit seinen Menschenrechtsverletzungen konfrontiert, von Zwangsarbeit und Repression gegen die Uiguren bis zur Zerschlagung der Opposition in Hongkong. Das ist gut und überfällig.  

Barbara Wesel Studio Brüssel

DW-Korrespondentin Barbara Wesel

Die Europäer bringt das jedoch in eine schwierige Lage. Sie wollen einerseits gegen chinesische Aggressionen mit den USA gemeinsam antreten, andererseits nicht in einen kalten Krieg mit China hinein gezogen werden. Die Bundeskanzlerin erinnerte daran, dass ohne China Probleme wie die Klimakrise nicht zu bewältigen seien. Sie denkt dabei auch an die deutsche Wirtschaft, so wie andere Europäer an ihre Interessen. Inwieweit der EU hier der Ritt auf der Rasierklinge gelingen wird, einerseits mit China zu kooperieren und andererseits gegen seine Politik Front zu machen, ist ziemlich ungewiss.  

Zu wenig bei Klima und Corona-Impfungen 

Bei der Klimapolitik blieben die Versprechen der G7 vage und kraftlos. Sie können sich immer noch nicht auf ein Datum zum Kohleausstieg einigen, nach Jahrzehnten der Debatte? Das ist nicht nur schwach, das ist schändlich. Und die allgemeinen Zusagen zur Klimaneutralität bis 2050 sind wertlos, wenn sie nicht mit konkreten Daten und Handlungen unterfüttert werden. Alles wurde auf die Klimakonferenz im November verschoben. “Wir ertrinken in Versprechen, jetzt ist es Zeit zum Handeln”, mahnten Demonstranten vor Ort. Die Regierungschefs tagten viel zu weit entfernt, um sie zu hören.  

Die allgemeine Zusage von einer Milliarde COVID-Impfdosen für ärmere Länder erweckte wieder das Gefühl einer Mogelpackung. Da steckten alle früheren Versprechen mit drin und die G7 blieben weit unter ihren Möglichkeiten. Gebraucht würden 11 Milliarden Dosen, erklärte die Weltgesundheitsorganisation. NGOs kritisieren, dass es an praktischen Hilfen, der Finanzierung und einem Plan fehle, um die Weltbevölkerung tatsächlich im Laufe des nächsten Jahres zu impfen.   

Große Schau der Gemeinsamkeit – im Detail enttäuschend 

Am Ende diente die Schau der Gemeinsamkeit in Cornwall zwar einem guten politischen Zweck, denn ein Signal war nötig, um die Schrecken der Trump-Jahre zu bewältigen. Aber die erneuerte Zusammenarbeit blieb im Detail enttäuschend. Sie muss weit mehr zur Lösung der globalen Probleme hervorbringen als die dünnen Zusagen des Gipfeltreffens von Cornwall. Die Aufforderung an Joe Biden und Freunde heißt: Ihr müsst viel schneller viel mehr liefern.  

Und ein Wort noch zu Boris Johnsons speziellem Brexit-Theater: Er nervte seine Gäste mit einem Streit über den Export von Würstchen und machte überdeutlich, dass er das Nordirland-Abkommen mit der EU kippen will. Hatte er sich nicht gerade zur regelbasierten Ordnung bekannt? So wird das nichts mit dem neuen globalen Großbritannien, dafür würde das Land einen seriöseren Regierungschef brauchen.