Sie spielte in rund 150 Filmen und TV-Produktionen mit und schlüpft dabei mühelos in die unterschiedlichsten Charaktere. Zwar war Isabelle Huppert auch in Komödien zu sehen, aber am bekanntesten wurde sie in den Rollen selbstbewusster, unterkühlter Frauen – die nicht immer das tun, was man von ihnen erwartet.
In ihrer langen Karriere hat sie für viele der großen Meister des Kinos vor der Kamera gestanden. Manche Kritiker schwärmen von ihr als “eine der besten Schauspielerinnen der Welt”. Bei den 72. Berliner Filmfestspielen im Jahr 2022 wurde ihre Leistung angemessen gewürdigt: Sie erhielt den Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk. Jetzt ist sie 70 und dreht immer noch munter Filme. Ihr neuester Film “Mon Crime”, eine Tragikomödie des Filmemachers François Ozon, ist zurzeit in den französischen Kinos zu sehen.
Aufgewachsen mit den Schönen Künsten
Am 16. März 1953 in Paris geboren, scheint Isabelle Huppert der Erfolg in die Wiege gelegt: Ihre Eltern, die Mutter Englischlehrerin, der Vater ein jüdischer Unternehmer, sind gut situiert. Isabelle und ihre vier älteren Geschwister werden katholisch erzogen, die schönen Künste haben im Hause Huppert einen selbstverständlichen Platz. Schauspielkurse während der Gymnasialzeit und die Aufnahme am Pariser Conservatoire National d’Art Dramatique – all das war bei Isabelles Herkunft irgendwie naheliegend. Trotzdem würde sie nicht behaupten, “Glück” gehabt zu haben. “Glück fällt nicht wundersam vom Himmel.” Vielmehr könne jeder die Bedingungen seines Glückes selbst schaffen, sagte sie 2017 in einem Interview mit der Frauenzeitschrift “Brigitte”.
Isabelle Huppert: Ruf als intellektuelle Schauspielerin
Sie jedenfalls tat und tut das ständig, hat man den Eindruck. Isabelle Huppert gilt als rastlos. Seit Jahrzehnten legt sie ein beachtliches Arbeitspensum an den Tag, dreht zwei bis drei Filme pro Jahr. 2018 erschienen sogar gleich vier mit ihr, darunter der Psychothriller “Eva” (Benoît Jacquot), der bei der 68. Berlinale im Wettbewerb lief, und in dem Huppert als Edelprostituierte einen betrügerischen Schriftsteller in die Hörigkeit und schließlich in die Katastrophe treibt.
Außergewöhnliche Frauen, die von Tragik geprägt und Rätseln umgeben sind – das sind Hupperts Paraderollen. Deren Auswahl und die Zusammenarbeit mit den renommiertesten Regisseuren der Welt wie Michael Haneke (u.a. “Die Klavierspielerin”) oder Claude Chabrol (u.a. “Violette Nozière”) brachten ihr den Ruf der “intellektuellen Schauspielerin” ein. Zu Unrecht, wie sie sagt, denn ihre Filme – auch wenn diese mitunter als intellektuell bezeichnet werden könnten – sagten nichts über sie aus, so Huppert gegenüber dem “Zeit Magazin”. Sie selbst sieht sich vielmehr als ein “Werkzeug” des Regisseurs, folgt dessen Anweisungen exakt, improvisiert kaum.
Starker Ausdruck dank reduzierter Mimik
Die Gemütszustände und geistige Verfassung ihrer Charaktere vermittelt sie präzise und mit viel Feingefühl: mit ihrem scheinbar ausdruckslosen Gesicht und sparsamer Mimik, die seit jeher als Hupperts Markenzeichen gelten. Fiktion habe den Hang, die Dinge aufzublähen, erklärte sie in einem Interview mit der “Financial Times” im Juli 2017. “Wenn ich mir aber Menschen auf der Straße ansehe, stelle ich fest, dass die meisten von ihnen ziemlich leere Blicke haben. Das heißt, ich muss weniger machen.” Zu beobachten habe ihr beigebracht, zu reduzieren, statt zu addieren.
Ihr verstörendes Spiel in “Die Klavierspielerin” brachte ihr 2001 eine Auszeichnung als beste Schauspielerin beim Filmfestival in Cannes ein
Doch ihre reduzierte Spielweise führte dazu, dass sie Zuschauer und Kritiker als unnahbar und unterkühlt einstuften. Ein Image, das der 1,50 Meter kleinen Französin bei genauerem Hinsehen allerdings nicht gerecht wird: Seit 1982 ist sie mit dem Filmregisseur Ronald Chammah verheiratet, das Paar hat vier Kinder. Kunst und Fotografie zählen zu Hupperts Leidenschaften. Sie stapelt Fotos und Bücher bei sich zu Hause – “ich will die guten Erinnerungen in meinem Leben festhalten” – und wird ängstlich, wenn sie sich in enge Räume begeben muss. Seiten, die zeigen, dass auch eine Isabelle Huppert ihre Schwächen hat.
Frauen am Rande der Gesellschaft erhalten eine Stimme
Huppert spielt gerne extreme Charaktere, “Überlebende, die Opfer und Rebellin zugleich sein können”, so die Schauspielerin. “Monster mit einem menschlichen Gesicht. Meine Filme geben diesen Frauen eine Stimme. Denn auch wenn sie am Rande unserer Gesellschaft leben, gibt es sie: Frauen, die ein brutales Leben führen. Eine Brutalität, die sie sich nicht selbst ausgesucht haben”, sagte Huppert dem “Zeit Magazin”.
In “Elle” spielt Huppert eine Frau, die mehrfach vergewaltigt wird und auf besondere Art damit umgeht
Ihre Interpretationen jener herausfordernden Frauenrollen brachten der Französin bereits zahlreiche Preise ein, darunter die wichtigsten Auszeichnungen der Filmbranche: César, Europäischer Filmpreis, Goldener Ehrenbär, Goldene Palme und der Golden Globe – sie alle stehen bei Huppert zuhause, teilweise mehrfach. Fehlt nur noch der Oscar, für den sie 2017 mit “Elle” (von Regisseur Paul Verhoeven) zumindest einmal nominiert wurde.
Selbstbewusst in die Zukunft
Selbstbewusst und überzeugt von sich selbst ist sie. Noch nie habe sie an ihrem Können gezweifelt. “Ich habe absolut keine Angst.” In anderen Bereichen sehe das anders aus, verriet sie der “Financial Times”. Zum Beispiel, wenn sie über die Straße gehe oder Leute treffe. “Immer, wenn etwas unerlässlich im Leben ist.” Aber beim Schauspielen könne sie nichts schrecken. “Ich tue es, ohne darüber nachzudenken. Es ist wie essen oder trinken.”
Dies ist die aktualisierte Fassung eines Artikels vom 12.04.2018.