“Die einzige Alternative dazu, alte Menschen zu spielen, ist, tote Menschen zu spielen. Also wählte ich die alten Menschen”, witzelte Michael Caine 2015 in einem Interview bei den Filmfestspielen in Cannes, wo er seinen Film “Ewige Jugend” vorstellte. Gar nicht mehr zu spielen, das kommt Caine nicht in den Sinn, und das bis heute. In rund 160 Filmen hat der britische Charakterschauspieler mitgewirkt – viele gute, manche sehr gute und auch ein paar richtig schlechte waren darunter. Schauspielkollege Kevin Kline erzählt gerne von seiner Lieblingsvideothek in London, die in den 1990er-Jahren ein kleines Regalbrett mit Videos aus der Kategorie “Filme ohne Michael Caine” bestückt habe. Ein Gag mit einem Körnchen Wahrheit: Michael Caine zählt zu den Workaholics unter den Hollywoodstars. Seine Triebfeder: der Spaß an der Arbeit – und seine Herkunft.
Caine: “Ich habe viel Scheiß gedreht”
Sir Michael, wie er sich nach dem Ritterschlag der Queen nennen darf, wird am 14. März 1933 in London als Sohn eines Fischmarktarbeiters und einer Putzfrau geboren. Er wächst in großer Armut auf. Das hat ihn geprägt. Möglichst viel Geld zu verdienen, war daher schon immer sein Lebensziel.
Und so ist Caine nie besonders wählerisch in der Auswahl seiner Rollen. “Ich habe viel Scheiß gedreht”, erklärte er in Interviews freimütig. Zum Beispiel “Der Weiße Hai 4”: “Ich hatte eine Minirolle, die ich nur annahm, weil ich eine Menge Geld dafür bekam und ich jemandem aus meiner Verwandtschaft unbedingt ein Haus kaufen wollte”, erzählte er dem Magazin “Focus”.
Caine, der gebürtig Maurice Joseph Micklewhite heißt, beginnt Mitte der 1950er-Jahre mit kleinen Rollen am Theater und im Fernsehen. Für den Film “Zulu” erhält er 1964 seine erste Hauptrolle. Er spielt darin einen adeligen Kolonialoffizier, der mit seinen Soldaten eine schwedische Missionsstation gegen den Angriff einheimischer Krieger verteidigt. “Regisseur Cyril Endfield war Amerikaner. Ein britischer Regisseur hätte mir, einem Proletarier, die Rolle des Leutnants nie gegeben”, blickte Caine im Gespräch mit der Wochenzeitung “Die Zeit” zurück.
Bekenntnis zur Arbeiterklasse
Seine erste Oscar-Nominierung erhält Michael Caine 1967 dann auch für die Verkörperung eines Proletariers. Es ist die Titelrolle des “Alfie”, einem narzisstischen Verführer, den er mit authentischem Cockney-Akzent spielte – im klassenbewussten Großbritannien damals eine Sensation. Den Akzent der Arbeiterklasse legt Caine privat nie ab, auch wenn er die meisten seiner Rollen in klarem Oxford-Englisch spricht.
Weitere Oscar-Nominierungen folgen: 1972 für “Mord mit kleinen Fehlern” (zusammen mit Sir Laurence Olivier) und 1983 für “Educating Rita”, einer modernen Version der “Pygmalion”-Geschichte von George Bernard Shaw. Drei Jahre später klappt es dann mit dem Oscar: Für seine Rolle des Elliot in Woody Allens “Hannah und ihre Schwestern” wird Michael Caine als bester Nebendarsteller ausgezeichnet.
Über seine Zusammenarbeit mit Regisseur Woody Allen, der mittlerweile von seiner Adoptivtochter Dylan des sexuellen Missbrauchs beschuldigt wird, sagte Caine 2018 in einem Interview mit dem “Guardian”: “Ich werde damit nicht fertig, denn ich habe Woody geliebt. Und hatte eine wundervolle Zeit mit ihm. Ich habe ihn sogar Mia Farrow vorgestellt. Ich bereue es nicht, mit ihm gearbeitet zu haben, was ich in aller Unschuld getan habe, aber ich würde jetzt nicht noch einmal mit ihm arbeiten.”
Der zweite Oscar folgt 2000 für seine Verkörperung des Dr. Wilbour Larch in der John-Irving-Verfilmung “Gottes Werk und Teufels Beitrag”. Und auch im neuen Jahrtausend wird Hollywoodstar Michael Caine, inzwischen knapp 70, nochmals für den Oscar nominiert: als “Der stille Amerikaner” nach dem gleichnamigen Roman von Graham Greene. Damit bildet er gemeinsam mit Jack Nicholson ein illustres Duo: Die beiden sind die einzigen Schauspieler, die zwischen 1960 und 2010 in jedem Jahrzehnt mindestens einmal für einen Oscar nominiert wurden.
Immobilien-Sammler und Brexit-Befürworter
Neben seiner schauspielerischen Arbeit engagiert sich Caine auch für das Amateur-Theater. Und er steht immer zu seinen politischen Überzeugungen, etwa beim Thema Brexit, zu dem er eine in der Arbeiterklasse populäre Meinung vertritt: “Ich habe pro Brexit gestimmt. Ich bin lieber ein armer Herr als ein reicher Sklave.”
Leicht gesagt für einen, der leidenschaftlich Immobilien und Kunst sammelt. Dennoch: Privat läuft es in seinem Leben nicht immer rund. So gibt Michael Caine in einem Interview mit der “Radio Times” zu, dass er zu Beginn seiner Karriere täglich eine Flasche Wodka geleert habe: “Ich war nicht unglücklich, aber ich hatte Stress.”
Halt gibt ihm seine Frau Shakira, mit der er seit 1973 verheiratet ist, und mit der er eine Tochter hat. “Ohne Shakira wäre ich schon vor langer Zeit tot gewesen. Ich hätte mich vermutlich zu Tode gesoffen”, meinte Caine lakonisch in einem Interview anlässlich seines 85. Geburtstages. Vehement erklärt er, nur noch zum Essen einen Wein zu trinken und sich geistig noch immer wie 38 zu fühlen.
Auch mit 90 immer noch am Filmset
Sein jüngst abgedrehter Film “The Great Escaper” soll 2023 in die Kinos kommen. Darin spielt er einen Kriegsveteranen, der aus seinem Altenheim verschwindet, um sich auf den Weg zu den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag des D-Days in Frankreich zu machen. Michael Caines nächstes Filmprojekt steht auch schon fest: Für den dritten Teil des Zaubererkrimis “Die Unfassbaren”, in dem er den Bösewicht spielt, steht er auch mit 90 noch vor der Kamera.